Kolonisation der Feldmark Vahr

Die Vahr ist eine sehr alte Siedlung. Erwähnt wird sie zum ersten Mal bereits im Jahr 1185. Die Besiedelung der bis dahin sumpfigen Einöde begann sogar schon im Jahr 1113.

Die Vahr ist Teil des Hollerlandes, dem Tiefland zwischen Weser und Wümme. Auffällig ist, dass man immer von  der  Vahr, also mit Artikel und im Femininum spricht. Das tat man früher auch bei den benachbarten Ortschaften wie Horn, Lehe und Rockwinkel. Doch nur bei der Vahr ist diese Sprechweise bis heute als ein Überbleibsel aus der Zeit der Gründung erhalten. Bei der Bildung niederdeutscher Siedlungs-namen kam der Gebrauch des bestimmten Artikels im 12. Jahrhundert auf (Meyer, S. 1). Und genau zu dieser Zeit begann die Kultivierung des Hollerlandes durch holländische Siedler aus der Diözese Utrecht. Diese brachten Kenntnisse für Deichbau und Entwässerung mit. Aus einem Schreiben des Erzbischofs Friedrich von Bremen geht hervor, dass dieser ihnen im Jahr 1106 freies vererbliches Eigentum an dem urbar gemachten Ödland zugesagt hatte (Epperlein, S. 32 f.). Dafür mussten sie einen Zins an den Landesherrn und den Zehnten an die Kirche leisten. Die Kolonisation wird von der Vahr aus vorgenommen worden sein, da sie mit 2,60 m über N.N. höher als das übrige Land liegt. Das Neuland wurde in Hufen von 47,5 ha eingeteilt. Jede Vollbauernstelle, deren Zahl über eine sehr lange Zeit konstant blieb und deren Besitzer Baumann genannt wurde, bestand aus einem Hufen. In der Vahr wurden 15 Hufe ausgegeben. Das Kataster für die Vahr wies 13 volle und vier halbe Höfe aus. Diese Zahl galt noch im 18. Jahrhundert, ergänzt durch zunächst zwei Köthner - von denen einer noch im 18. Jh. wieder verschwand - und eine steigende Anzahl von Häuslingen. Bis 1799 kamen vier Freihöfe mit einem Baumann, zwei halben Baumännern - darunter Friedrich Hinrich Bultmann - und einem Brinksitzer hinzu. Die Höfeakte für die Vahr aus dem Jahr 1876 verzeichnet für die Vahr 14 Vollbauern, vier Halbbauern, einen Köthner, fünf Gutsbesitzer und sieben Brinksitzer. Diese Steigerung der Anzahl der Höfe und eine deutliche Vergrößerung der Zahl von Häuslingen im 19. Jahrhundert hängen mit der schnell wachsenden Bevöl-kerung zusammen. 

Bis zum Beginn der städtischen Bebauung war die Vahrster Feldmark durch die langen, schmalen Streifenhufen gekennzeichnet, die sich östlich der Straße  In der Vahr (später Vahrer Straße), an der sich die Höfe aufreihten, in Ost-West-Richtung bis zum hinteren Deich (Achterdiek) erstreckten. Der Achterdiek war ein Schirmdeich, der die Zuflüsse aus dem Gebiet des späteren Rockwinkel abhielt. Durch zwei Hauptkanäle in nördlicher Richtung, die bis heute als Mittelkamps- und Achterkampsfleet vorhanden sind, wurde die Feldmark eben-so wie jede einzelne Hufe von West nach Ost dreigeteilt in Vorkamp, Mittelkamp und Achterkamp. Im Norden findet sich schwerer Kleibo-den, im Süden enthält er Sandbeimengungen. Er eignete sich wegen der höheren Lage gut für Acker- und Gartenbau. Nur ein kleiner Teil waren Weiden.

Dieser Ausschnitt aus der Karte des Gebietes der Frei-en Hansestadt Bremen von Heineken aus dem Jahr 1805 bildet die Niederung zwischen Weser (unten) und Wümme (oben) ab. Die Kultivierung des Hollerlan-des seit dem 12. Jahrhundert ist sehr deutlich an den Streifenhufen, die durch Entwässerungsgräben von ein-ander getrennt sind, zu erkennen.

Unterhalb der Mitte hebt sich die Vahr von den übri-gen Teilen durch die genaue Ost-West-Richtung seiner Hufen ab. Im Westen wird sie durch den Straßenver-lauf (heute: Horner Heerstraße / Bürgermeister-Spitta-Allee / In der Vahr / Vahrer Straße) von der Hastedter Feldmark, im Norden durch die heutige Berckstraße von Lehe getrennt. Im Osten bildet der Achterdiek die Grenze. Die südliche Grenze entspricht keinem heutigen Straßenverlauf. Sehr deutlich gibt die Karte die Lage der Höfe wieder.

Gleich links neben der Nord-West-Spitze der Vahr liegt die Horner Kirche. Etwas oberhalb der Mitte befand sich der Streifen des Bultmann-Hofes, zu dem aber auch ein Grundstück in der Wetterung, dem heutigen Oberblockland (oben links im Bild), gehörte.

Der Spiekerhof von Heinrich Kaemena (1766-1843), Schwiegervater meines Urgroßvaters Hinrich Bult-mann (1809-1882), lag bei der scharfen Rechtskurve der Straße am Ostende der heutigen Emil-Trinkler-Straße auf der Hastedter Seite der Vahr. Nördlich davon wurde die Straße später westwärts verlegt.

Damit die Höfe Schutz vor winterlichem Hochwasser hatten, waren sie auf Warften errichtet. Eine niedrige Höhe reichte dafür aus. Bei den Höfen an der West-grenze der Vahr befanden sich die großen Dielentüren wegen der Ausrichtung der Streifenhufen nach Osten  nicht an der Straßenseite, sondern auf der Ostseite.

Die Grenzen des heutigen Stadtteils Vahr weichen stark von den Grenzen der historischen Vahr ab.

Die Vahr - vom Dorf zum Stadtteil


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